Saskia Niehaus: Salto vitale

 
Der 6. ZONTA COLOGNE ART AWARD 2022 geht an die Kölner Künstlerin verbunden mit einer Einzelausstellung in der FUHRWERKSWAAGE.


Schirmherrin der Ausstellung ist Bettina Böttinger, die Laudatio hält Dr. Martina Padberg, künstlerische Leiterin Kunstmuseum Ahlen.

 

Mit Saskia Niehaus, Bettina Böttinger, Dr. Martina Padberg (Leiterin Kunstmuseum Ahlen), Jochen Heufelder (Leiter FUHRWERKSWAAGE), Nazgol Majlessi (Kuratorin FUHRWERKSWAAGE) und den Präsidentinnen der beiden Kölner Zonta Club, Sibylle Eßer M.A. (Zonta Köln 2008) und Prof.  Dr. Angelika Schmidt-Koddenberg (Zonta Köln).

 

Hier geht's zum Portraitfilm (link is external) über die Künstlerin Saskia Niehaus (produziert von Christiana Coletti, Zonta Club Köln).

 


Laudatio auf Saskia Niehaus anlässlich der Übergabe des 6. Zonta Cologne Art Award 2022 

am 25.9.2022 in der Fuhrwerkswaage, Köln

Dr. Martina Padberg, Kunstmuseum Ahlen 

 

"Liebe Saskia, liebe Bettina Böttinger, liebe Frau Eßer, liebe Frau Professor Schmidt- Koddenberg, lieber Jochen Heufelder, meine sehr verehrte Damen und Herren,

 

herzlich willkommen heute morgen in der Fuhrwerkswaage. Ich finde es wunderbar, liebe Saskia, dass Dir in diesem Jahr der ZONTA Cologne Art Award zugesprochen wurde, und es ist mir eine große Freude die Laudatio, Dir eine Lobrede, halten zu dürfen. 

 

Und dennoch: Ich weiß nicht, wie es Ihnen gerade geht, aber mir fällt es zunehmend schwer, mich auf das zu konzentrieren, was sonst meinen schönen Arbeitsalltag bestimmt: Eine Ausstellung vorbereiten, einen Katalog fertigstellen, eine Rede formulieren. Meine Gedanken und Gefühle sind im Moment sehr besetzt von dem, was sich „da draußen“ abspielt. Ich spüre eine eine Sorgenlast, eine Unsicherheit wie wohl nie zuvor in meinem Leben und ich frage auch zunehmend, nach der Relevanz dessen, was ich, was wir tun. Oder besser: ‚es‘, das Leben, die Welt fragen mich. Und deshalb muss ich diese Laudatio anders beginnen, als ich es wohl sonst getan hätte.

 

Als ich mit Dir, Saskia, bei meinem Atelierbesuch in der letzten Woche eher am Rande über die zwei zurückliegenden Jahre sprach, erinnerten wir uns beide, dass die unerhörte Vollbremsung, die im Frühjahr 2020 stattfand, zunächst auch so etwas wie eine Chance zu sein versprach. Der völlige Stillstand des öffentlichen und privaten Lebens machte es damals möglich, darüber nachzudenken, wie wir mit uns selbst, wie wir miteinander und wie wir mit dieser Welt eigentlich umgehen und in Zukunft umgehen wollen. Wie würden wir alle weitermachen, wenn die Krise eines Tages überwunden wäre? Ließe sich das globale Miteinander noch einmal ganz neu erfinden? Könnten aus Verlusten auch Zugewinne entstehen, aus Verzicht eine neue Qualität? Aber dann gab es keinen Neustart, die Chance wurde vergeben. Unser Hunger nach Ressourcen, nach dem Maximum von allem, was möglich ist, war stattdessen ganz schnell wieder da. Er schien nur eine Weile zwangsreguliert und wollte jetzt umso mehr und umso schneller befriedigt werden. 

 

Zwischenzeitlich haben sich längst neue, noch viel dramatischere Probleme auf die weltpolitische Tagesordnung gedrängt. Benennen muss ich gar nicht, was uns da alle gerade umtreibt – aber klar ist: Es geht in diesen Wochen, Monaten, vielleicht Jahren um nichts weniger als um unsere Zukunft und um die Zukunft derer, die nach uns kommen. Vor vier Tagen sprach der UN-Generalsekretär Antonio Guterres vor der UN-Vollversammlung davon, dass unser Planet brennt, dass die Gräben zwischen Nationen und politischen Systemen tiefer und die Ungleichheit der Lebenschancen von Menschen größer werden ­– und dass es, wie immer, die Verletzlichsten sind, die am meisten leiden. Sehr ernste Worte in einer sehr schwierigen Zeit.

 

Und aus diesem Momentum heraus, anders geht es gar nicht, schauen wir auch in diesen Ausstellungsraum und auf dein Werk, liebe Saskia. Was begegnet uns? Meine erste Antwort: Das Leben! Und zwar das wirkliche Leben in seinen ambivalenten Formen und Gestalten, in seiner Vielfalt, seiner Rätselhaftigkeit, in seinen Widersprüchen. Wesenhaft verkörpert zeigt sich das Leben in deinem Werk mit all der dazugehörenden Lust und all dem Schmerz, aller Schönheit und Hässlichkeit, aller Zerbrechlichkeit und Stärke. Das Leben steckt in deinen Arbeiten, in Zeichnungen und in Skulpturen, im Gesehenen und Geformten, im Gefundenen und Gemachten, das Leben ist da drin, gerade weil es sich als ein gefährdetes, beschädigtes Leben zeigt.  

 

Du hast mir sehr plastisch beschrieben, dass all diese Figuren, die heute die Fuhrwerkswage bevölkern, die Männer und Frauen, die Vögel, das Pferd, die Kuh, der Schwan – dass sie alle in die Welt wollen und in die Welt kommen – als von Dir erträumte, erfühlte, mit Auge, Hand und Herz hervorgebrachte Wesen. So, wie sie eben sind. Skurrile, nackte Geschöpfe, die ihre Verletzlichkeiten, ihre Bedürftigkeit und ihren Lebenswillen herzeigen und damit alles das, was wir nur mühsam unter Kleidung und Rolle verbergen können. Manchmal sind es merkwürdige Zwitterwesen aus Tier und Mensch, manchmal kuriose Liebespaare, die sich umarmen, miteinander tanzen, sich lecken, verschmelzen – einfach so ohne Scham. Sie formen sich ganz ‚handgreiflich‘ aus Ton oder Wachs, aus Papier oder Pappmaché, aus Fasern, aus gefundenen Baumzapfen, eigenen Haaren, aus Gips, Draht oder Holzstückchen. Sie wachsen oftmals Schicht über Schicht, und bleiben dann vollendet in einem unvollendeten Zustand, so als könnten sie sich später auch ohne die Künstlerin weiterentwickeln, sich noch ein weiter entfalten, ihr eigenes Leben führen und irgendwann vergehen. Und gleichzeitig bleiben sie, obwohl sie „da sind“, auch immer Material oder Linie, Farbe und Strich, Oberfläche. Sie tragen den Prozess ihrer Entstehung sichtbar in sich und an sich. Durchlässig und brüchig bleiben sie, sodass wir in sie hinein oder durch sie hindurchsehen und sie erkennen können.

 

Saskia Niehaus arbeitet bei aller klugen Reflexion über das, was sie tut, sehr intuitiv, wenn sie es tut. Sie lässt sich leiten von einem Geräusch, einem Ton, einer Melodie, einem Impuls, einem Zustand, einer Erinnerung, ihrem Körper. Sie lässt sich treiben, sie bewegt sich tastend vorwärts, lässt kommen, was kommt. Wenn man eine solche Weise als „spielerisch“ bezeichnet, muss man genauer definieren, was damit gemeint ist. Die Qualität des freien Spiels entdeckte die Romantik gegen Ende des 18. Jahrhunderts, also genau in dem Moment, in dem die industrielle Revolution den Menschen unter den Rhythmus von Maschine und Fabrik zwang. Das Spiel wurde zum Gegenmodell von Effizienz und Zweckdienlichkeit. „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, so schreibt es Friedrich Schiller in seinen Briefen Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1794). Sich spielerisch ausprobieren wie ein Kind, sich dabei selbst vergessen und genau dadurch zu sich zu kommen! Wenn man das Glück hat, im Atelier von Saskia Niehaus zu Gast zu sein, weiß man plötzlich ganz genau, was das bedeutet. Im Sinne Schillers ist das ein Ort verwirklichter menschlicher Freiheit. Kunst und Leben fallen da ganz organisch ineinander, genauso wie Körper und Geist, wie Form und Bewegung. Das weckt Erinnerungen an Momente in der Kindheit, in der es leicht war, sich ganz hinzugeben, an eine Beobachtung, an einen Moment, an ein zielloses Tun. Es hat etwas sehr Tröstliches, dass eine solche Form der Unmittelbarkeit offensichtlich an kein Alter gebunden ist, sondern reanimierbar bleibt. 

 

Dabei hat Saskia Niehaus dennoch einen stringenten künstlerischen Weg zurückgelegt. Seit Abschluss ihres Kunststudiums an der Akademie in Münster im Jahr 1996, arbeitet sie als freie Künstlerin in Köln und in der Eifel, und konnte ihre Arbeiten seitdem in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen zeigen. Verschiedene Reisestipendien haben sie u.a. mehrmals nach Italien aber auch nach Berlin geführt. Ich bin deinem Werk erstmals vor über 20 Jahren in einer Ausstellung im Sinclair Haus in Bad Homburg begegnet und habe deine unverwechselbare Bildsprache nie mehr vergessen. 

 

Deine Wesen und Gestalten, die nun in die Fuhrwerkswaage eingezogen sind, kennen keinen Zeitgeist und sprechen doch in unsere Zeit. Man muss sie nur eine Weile betrachten ­– still und geduldig.  In unserer hochartifiziellen, vollvernetzten, digitalisierten Welt helfen sie uns, einen Zugang zu finden zu unserer eigenen Kreatürlichkeit. Ihre mangelnde Perfektion tröstet uns über unsere Fehler und Begrenztheiten hinweg. Unserem Gefühl, nicht ausreichend zu sein, begegnen sie mit ihren Versehrtheiten. Unsere inneren und äußeren Verhärtungen weichen angesichts ihrer Zartheit und ihrer Bedürftigkeit dahin. Und in unsere ständige Aufgeregtheit hinein, erzählen sie uns ein paar lakonische Wahrheiten, zum Beispiel, dass sie auch ohne uns ganz gut zurechtkommen. Aber: „Keinen von uns lassen sie unberührt“, schreibt Susanne Blöcker sehr wahr in ihrem wunderbaren Essay im Katalog zur Ausstellung. Ja, der künstlerische Kosmos von Saskia Niehaus schenkt einen Erfahrungsraum der Empathie. Ihre Figurationen sind Einladungen zum Einfühlen und Mitfühlen. Wenn wir ihnen gegenüberstehen, erleben wir uns als Wesen, die nicht dazu gemacht sind, um ‚cool‘, um kalt zu bleiben, sondern die sich anrühren und sich bewegen lassen. Das ist ein leiser, aber starker Impuls. Ein Impuls mit Veränderungspotential. Ohne politische Themen zu verhandeln, entwickelt sich daraus durchaus auch eine politische Dimension und eine politische Qualität. 

 

Die Tier- und Menschenwelt von Saskia Niehaus lässt uns auch erkennen, dass das Leben immer fragmentarisch bleibt und dass es unmöglich ist, sich krisenfest und sicher in der Welt einzurichten. Scheitern und Verluste gehören dazu. Das bedeutet aber keinen Mangel, das ist kein systemischer Fehler des Mensch-seins sondern kann, im Gegenteil, zu einem abenteuerlichen Leben verführen, zum „Salto vitale“. Es ermutigt dazu, sich trotz aller Widrigkeiten immer wieder beflügeln zu lassen ­– auch heute, in ernsten und schwierigen Zeiten.

 

Liebe Saskia, ich gratuliere Dir von Herzen zum Zonta Cologne Art Award 2022."

 

 Dr. Martina Padberg, Kunstmuseum Ahlen 


Saskia Niehaus: Salto vitale

 

Der 6. ZONTA COLOGNE ART AWARD  2022 geht an die Kölner Künstlerin verbunden mit einer Einzelausstellung in der FUHRWERKSWAAGE.

 

Schirmherrin der Ausstellung ist Bettina Böttinger, die Laudatio hält Dr. Martina Padberg, künstlerische Leiterin Kunstmuseum Ahlen.

 

2022 geht der mit 3.000 Euro dotierte Zonta Cologne Art Award (ZCAA) der beiden Kölner Zonta Clubs an die Kölner Künstlerin Saskia Niehaus. Die Auszeichnung ist mit einer Einzelausstellung mit dem Titel „Salto Vitale“ in der FUHRWERKSWAAGE in Sürth verbunden. Die Preisverleihung und Ausstellungseröffnung finden am Sonntag, 25. September 2022, ab 11 Uhr in Anwesenheit der Künstlerin statt. Laudatorin ist Dr. Martina Padberg, Leiterin des Kunstmuseums Ahlen. Schirmherrin: Bettina Böttinger.

 

Preisverleihung / Ausstellungseröffnung: Sonntag, 25. September 2022, 11 Uhr

 

Mit Saskia Niehaus, Bettina Böttinger, Dr. Martina Padberg (Leiterin Kunstmuseum Ahlen), Jochen Heufelder (Leiter FUHRWERKSWAAGE), Nazgol Majlessi (Kuratorin FUHRWERKSWAAGE) und den Präsidentinnen der beiden Kölner Zonta Club, Sibylle Eßer M.A. (Zonta Köln 2008) und Prof. Dr. Angelika Schmidt-Koddenberg (Zonta Köln).

 

Ausstellungsdauer: bis 16. Oktober 2022

 

Öffnungszeiten: Fr 16-19 Uhr, Sa/So 15-18 Uhr

 

Finissage mit Künstleringespräch: 16. Oktober 2022, 15 Uhr

 

FUHRWERKSWAAGE, Bergstrasse 79, 50999 Köln-Sürth 

 

 


 

 

Der nächste ZONTA COLOGNE ART AWARD wird am 25. September 2022 verliehen.

Die Preisverleihung und Ausstellung "Salto vitale" der prämierten Künstlerin Saskia Niehaus finden wieder in der FUHRWERKSWAAGE in Köln-Sürth statt.

 

 

Die Vorbereitungen für die Jurys und das Auswahlverfahren haben begonnen. Es gibt zwei unabhängige Jurys. Jedes Mitglied der vorschlagenden Jury nominiert drei Künstlerinnen. Von den neun vorgeschlagenen Künstlerinnen wird eine von der auswählenden Jury prämiert.

 

Vorschlagende Jury 2022:

Jochen Heufelder (FUHRWERKSWAAGE)

Jutta Mattern (Arp Museum Rolandseck)

Susanne Wedewer-Pompus (Leverkusener Kunstverein - Museum Schloss Morsbroich)

 

Nominiert wurden:

Saskia Niehaus, Nicola Schudy, Ruth Weigand

Claudia Mann, Julia Bünnagel, Frauke Wilken

Leunora Salihu, Christine Reifenberger, Katherina Maderthaner

 

Auswählende Jury 2022:

Dr. Martina Padberg (Kunstmuseum Ahlen)

Dr. Marcel Schuhmacher (Kunsthaus NRW Kornelimünster)

Dr. Susanne Titz (Museum Abteiberg Mönchengladbach)

Lisbet Steinrücke (Rechtsanwältin, Jurorin ZCAA 2022 des Zonta Club Köln)

Birgitta Weimer (Künstlerin, Jurorin ZCAA 2022 der Zonta Köln 2008)

 

Wir freuen uns auf die Preisverleihung und die Ausstellungseröffnung:

25. September 2022 11 Uhr in der FUHRWERKSWAAGE in Köln-Sürth.